Man kann es drehen und wenden, wie man will. An einer Tatsache kommt man bei Incubus nicht vorbei: Die Fünferbande aus Calabasas, Kalifornien, hat eine beeindruckende Karriere hingelegt. Ihre ganz persönliche Version des amerikanischen Traums sozusagen. Zwar ging es für sie nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, dafür aber von einer zotteligen Funk-Metal-Combo zu einer von Kritikern geachteten und von Millionen Fans geliebten Alternative-Band. Während dieses steilen Aufstiegs haben Incubus allerlei Gefahren getrotzt. Der kalten Klaue der Nu-Metal-Schublade, in die man sie ominöserweise um die Jahrtausendwende steckte (und damit mit Suppenkaspern wie Limp Bizkit gleichsetzte), entkamen sie nur knapp, und die Pop-Unterstellung bei "Morning view" umschifften sie auf "A crow left of the murder" mit Prog-, Funk- und Jazz-Ausritten. Die Band um Front-Adonis Brandon Boyd hatte gegen solch dämonische Stigmatisierung ein einfaches Gegenmittel: Sie brachte einfach ein gutes Album nach dem anderen heraus. Der letzte Output "Light grenades" debütierte gar auf Platz 1 der US-Charts - Zeit also, mit einer Best-of-Compilation einen Schlussstrich unter die erfolgreiche erste Schaffensphase zu ziehen.
Dabei halten sich Incubus erst einmal exakt an das Rezept für geldschneidernde Veröffentlichungen: Zusätzlich zu den ganzen Hits noch ein oder zwei neue Songs draufpacken, um den Kaufanreiz auch für jene zu erhöhen, die sonst schon alles besitzen. Die bislang unveröffentlichten "Black heart inertia" und "Midnight swim" eröffnen und schließen die Tracklist der ersten CD. Doch bei Incubus steckt mehr dahinter: jede Menge Bonuskram. So beinhaltet "Monuments and melodies" noch eine zweite CD mit Raritäten, B-Seiten und einem Coversong - acht Songs davon waren bislang unveröffentlicht. Der geneigte Käufer findet bei seiner Ausgabe von "Monuments and melodies" auch noch einen Code, mit dem sich auf der Bandhomepage zusätzliches Material freischalten lässt. Keine Frage, eine lieblos zusammengeschusterte Compilation, die unzurechnungsfähigen Kids die Kohle aus der Tasche ziehen soll, sieht anders aus. Ganz anders.
Viel wichtiger ist aber die Musik, und die ist natürlich über jeden Zweifel erhaben. Bei der Qualität der Incubus-Singles seit "Make yourself" eine Compilation in den Sand zu setzen, wäre schließlich schwerer, als auf plattentests.de eine 10/10 abzustauben. Dafür sind Nummern wie das hymnisch rockende "Wish you were here", das mitreißende "Anna Molly" oder das auch ohne die Bush-Fußnote immer noch herrlich bissige "Megalomaniac" einfach zu grandios. Wie viel die Band musikalisch auf dem Kasten hat, merkt man am eindrucksvollsten bei den ruhigeren Liedern. Die Anno-dazumal-Durchbruchssingle "Drive" groovt 2009 noch genauso wie 1999, und "Are you in?" gibt den funkigen Tanzbodenfüller. Der einzige Grund zum Mäkeln ist das Außenvorlassen der ersten beiden Alben, denn "Fungus amongus" und "S.C.I.E.N.C.E." glänzen durch Abwesenheit. Schade. Obwohl sich bei Incubus seit dem Eintritt in den Mainstream in musikalischer Sicht einiges getan hat, waren die beiden deutlich härteren und funkigeren Frühwerke beileibe nicht so schlecht, als dass man sich dafür schämen müsste.
Die beiden neuen Songs von CD1 kommen deutlich unspektakulärer daher als die Hit-Sammlung. Dabei macht die Single "Black heart inertia" noch die bessere Figur, "Midnight swim" fällt hingegen einfach überhaupt nicht auf. Richtig spannend wird es dann aber auf der zweiten CD, denn die meisten der hier versammelten Non-Album-Tracks kommen überraschend ausgereift rüber. Meist handelt es sich dabei um melancholische, gedrosselte Rocknummern im Midtempo, die sich erst nach mehrmaligem Hören richtig erschließen. Vor allem die Ausnahmen von dieser Regel sind es, die richtig zünden: das herrlich vor sich hinrockende Prince-Cover "Let's go crazy" zum Beispiel, das mächtige "Look alive" oder die verschmitzt groovende Akustik-Version von "A certain shade of green". Selbst die Resteverwertung besticht durch musikalische Qualität auf höchstem Level. Als diese schmächtigen und schüchternen Milchgesichter mit "Pardon me" erste Erfolge verzeichneten, war damit kaum zu rechnen. Die Karriere von Incubus zählt zu den angenehmeren Überraschungen. (Plattentest.de)
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Incubus
Verfasserangabe:
Incubus
Jahr:
2009
Verlag:
München, Sony
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